Geburt Mariä (I)
O was muß es die Engel gekostet haben,
Nicht aufzusingen plötzlich, wie man aufweint,
Da sie doch wußten: in dieser Nacht wird dem Knaben
die Mutter geboren, dem Einen, der bald erschient.
Schwingend verschwiegen sie sich und zeigten die Richtung,
wo, allein, das Gehöft lag des Joachim,
ach, sie fühlten in sich und im Raum die reine Verdichtung,
aber es durfte keiner nieder zu ihm.
Denn die beiden waren schon so außer sich vor Getue.
Eine Nachbarin kam und klugte und wußte nicht wie,
Und der Alte, vorsichtig, ging und verhielt das Gemuhe
einer dunkelen Kuh. Denn so war es noch nie. |
Mary’s Birth
O, what it must have cost the angels,
Not to suddenly burst out singing, as one might sob aloud,
Although they knew: in this night the mother of the child
would be born, of the One who would shortly appear.
Hovering, they kept silent and pointed out the place
where, isolated, Joachim’s compound lay.
Ah, they felt within themselves and in space the sheer intensity,
But none were allowed to descend to him.
For the two of them were already beside themselves with commotion.
A neighbor came and nodded wisely without knowing why;
And the old one, prescient, went and hushed the mooing
of a brown cow. For it had never been like this before. |
Mariä Verkündigung (III)
Nicht daß ein Engel eintrat (das erkenn),
erschreckte sie. So wenig andre, wenn
ein Sonnenstrahl oder der Mond bei Nacht
in ihrem Zimmer sich zu schaffen macht,
auffahren--, pflegte sie an der Gestalt,
in der ein Engel ging, sich zu entrüsten;
sie ahnte kaum, daß dieser Aufenthalt
mühsam für Engel ist. (O wenn wir wüßten,
wie rein sie war. Hat eine Hirschkuh nicht,
die, liegend, einmal sie im Wald eräugte,
sich so in sie versehn, daß sich in ihr,
ganz ohne Paarigen, das Einhorn zeugte,
das Tier aus Licht, das reine Tier --).
Nicht, daß er eintrat, aber daß er dicht,
der Engel, eines Jünglings Angesicht
so zu ihr neigte, daß sein Blick und der,
mit dem sie aufsah, so zusammenschlugen,
als wäre draußen plötzlich alles leer
und, was Millionen schauten, trieben, trugen,
hineingedrängt in sie: nur sie und er;
Schaun und Geschautes, Aug und Augenweide,
sonst nirgends als an dieser Stelle --; sieh,
dieses erschreckt. Und sie erschraken beide.
Dann sang der Engel seine Melodie. |
Annunciation to Mary
Not that an angel entered (know this)
was she startled. As little as others start
when a ray of sun or the moon at night
busies itself about the room
would she have been disturbed by the form
in which an angel went;
she scarcely guessed that this realm
is irksome for angels. (O, if we knew
how pure she was. Did not a hind, that,
recumbent, once saw her in the wood,
so lose itself in gazing, that it --
quite without coupling – conceived the unicorn,
the beast of light, the pure animal--).
Not that he entered, but that he so closely,
the angel, bent a youth's face
to her, that his gaze and that
with which she looked back so struck together,
that it was as though it were suddenly all emptiness outside
and what millions saw, did, bore,
was pressed into them: only she and he;
the seeing and the seen, eye and eye's object,
nothing save in this place --; see,
this is terrifying. And they were both afraid.
Then the angel sang his melody. |
Geburt Christi (VII)
Hättest du der Einfalt nicht, wie sollte
dir geschehn, was jetzt die Nacht erhellt?
Sieh, der Gott, der über Völkern grollte,
macht sich mild und kommt in dir zur Welt.
Hast du dur ihn größer vorgestellt?
Was ist Größe? Quer durch alle Masse,
die er durchstreicht, geht sein grades Los.
Selbst ein Stern hat keine solche Straße,
siehst du, diese Könige sind groß,
und sie schleppen dir vor deinen Schooß
Schätze, die sie für die größten halten,
und du staunst vielleicht bei dieser Gift --:
aber schau in deines Tuches Falten,
wie er jetzt schon alles übertrifft.
Aller Amber, den man weit verschifft,
jeder Goldschmuck und das Luftgewürze,
das sich trübend in die Sinne streut:
alles dieses war von rascher Kürze,
und am Ende hat man es bereut.
Aber (du wirst sehen): Er erfreut. |
The Birth of Christ
Had you not simplicity, how would
it have happened to you, what now illumines the night?
See, the God, that frowned over the people,
makes himself gentle and comes through you into the world.
Did you imagine him greater?
What is greatness? Straight through all matter,
which he pierces, leads his direct path.
Even a star has no such road.
Look you, these kings are great,
and they bear before your lap
treasures, that they consider the very greatest,
and you are amazed, perhaps, by this gift --:
but see here in the folds of your shawl
how he now, already, surpasses them all.
All amber, that is shipped far away,
every gold ornament and the incense
that troublingly envelops the senses:
all these were of fleeting briefness,
and in the end one felt regret.
But (you will see this): He brings joy. |
Von der Hochzeit zu Kana (IX)
Konnte sie denn anders, als auf ihn
stolz sein, der ihr Schlichtestes verschönte?
War nicht selbst die hohe, großgewöhnte
Nacht wie außer sich, da er erschien?
Ging nicht auch, daß er sich einst verloren,
unerhört zu seiner Glorie aus?
Hatten nicht die Weisesten die Ohren
mit dem Mund vertauscht? Und war das Haus
nicht wie neu von seiner Stimme? Ach,
sicher hatte sie zu hundert Malen
ihre Freude an ihn aus zustrahlen
sich verwehrt. Sie ging ihm staunend nach.
Aber da bei jenem Hochzeitsfeste,
als es unversehns an Wein gebrach,--
sah sie hin und bat um eine Geste
und begriff nicht, daß er widersprach.
Und dann tat ers. Sie verstand es später,
wie sie ihn in seinen Weg gedrängt:
Denn jetzt war er wirklich Wundertäter,
und das ganze Opfer war verhängt,
unaufhaltsam. Ja, es stand geschrieben.
Aber war es damals schon bereit?
Sie: sie hatte es herbeigetrieben
in der Blindheit ihrer Eitelkeit.
An dem Tisch voll Früchten und Gemüsen,
freute sie sich mit und sah nicht ein,
daß das Wasser ihrer Tränendrüsen
Blut geworden war mit diesem Wein. |
Of the Wedding at Cana
Could she do otherwise than be proud
of him, who embellished the most trivial things?
Was not even the high, jaded night
as if beside itself, when he appeared?
Didn't even that time when he was lost
add to his glory?
Didn't the wisest ones exchange ears
for mouths then? And wasn't the house
like new from his voice? Ah,
surely she had a hundred times
suppressed her joy in him, so that
it wouldn't shine forth. She followed him astonished.
But there, at that wedding feast,
when unexpectedly the wine ran out --
she looked at him and pleaded for a gesture
and didn't understand, that he contradicted her.
And then he did it. She understood later,
how she had pressed him into his path:
for now he was really a miracle-worker,
and the entire sacrifice was determined,
unstoppable. Yes, it was written.
But was it meant to be prepared so soon?
She: she had brought it about
in the blindness of her vanity.
At the table full of fruits and vegetables,
she was happy and did not see
that the water of her tear-ducts
had turned to blood with this wine. |
Vor der Passion (X)
O hast du dies gewollt, du hättest nicht
durch eines Weibes Leib entspringen dürfen:
Heilande muß man in den Bergen schürfen,
wo man das Harte aus dem Harten bricht.
Tut dirs nicht selber leid, dein liebes Tal
so zu verwüsten? Siehe meine Schwäche;
Ich habe nichts als Milch- und Tränenbäche,
und du warst immer in der Überzahl.
Mit solchem Aufwand wardst du mir verheißen.
Was tratst du nicht gleich wild aus mir hinaus?
Wenn du nur Tiger brauchst, dich zu zerreißen,
warum erzog man mich im Frauenhaus,
Ein weiches reines Kleid für dich zu weben,
darin nicht einmal die geringste Spur
von Naht dich drückt --: so war mein ganzes Leben,
und jetzt verkehrst du plötzlich die Natur. |
Before the Passion
Oh, if you wanted this, you should not
have sprung from a woman's body;
Saviors should be created out of mountains
where hardness is broken from the hard.
Doesn't it hurt even you, to lay waste
to your own dear valley? Behold my weakness;
I have nothing but streams of milk and tears,
and you always had more than enough.
With such splendor you were promised to me.
Why didn't you burst wildly out of me?
If you only needed tigers to shred you,
why was I raised in a house of women,
to weave you a soft, pure robe
in which not the smallest trace
of seam would rub you --: thus was my whole life,
and now suddenly you overturn Nature. |
Pietà (XI)
Jetzt wird mein Elend voll, und namenlos
erfüllt es mich. Ich starre, wie des Steins
Inneres starrt.
Hart wie ich bin, weiß ich nur Eins:
Du wurdest groß --und wurdest groß,
um als zu großer Schmerz
ganz über meines Herzens Fassung hinauszustehn.
Jetzt liegst du quer durch meinen Schooß,
jetzt kann ich dich nicht mehr gebären. |
Pietà
Now my misery is full, and namelessly
it fills me. I am stark, as a stone's
innards are stark.
Hard as I am, I know only one thing:
You grew --and grew,
as if to stand forth as too great a pain
for my heart to grasp.
Now you lie straight across my lap,
now I can no longer bear you. |
Stillung Mariä mit dem Auferstandenen (XII)
Was sie damals empfanden: ist es nicht
vor allen Geheimnissen süß
und immer noch irdisch:
da er, ein wenig blaß noch vom Grab,
erleichtert zu ihr trat:
an allen Stellen erstanden.
O zu ihr zuerst. Wie waren sie da
unaussprechlich in Heilung.
Ja, sie heilten, das wars. Sie hatten nicht nötig,
sich stark zu berühren.
Er legte ihr eine Sekunde
kaum seine nächstens
ewige Hand an die frauliche Schulter.
Und sie begannen
still wie die Bäume im Frühling,
unendlich zugleich,
diese Jahreszeit
ihres äußersten Umgangs. |
Consolation of Mary with the Resurrected One
What they felt then: isn't it
sweeter than all mysteries
and yet still earthly:
that he, a little pale yet from the grave,
unburdened came to her:
resurrected in all places.
Oh, to her first of all. How were they then
inexpressibly healed.
Yes, they were healed, that was it. They didn't need
to touch each other intensely.
He lay for barely a second
his newly-eternal
hand upon the woman's shoulder.
And they began
silently, like trees in springtime,
eternally, together,
this season
of their uttermost communion. |
Vom Tode Mariä II (XIV)
Wer hat bedacht, daß bis zu ihrem Kommen
der viele Himmel unvollständig war?
Der Auferstandne hatte Platz genommen,
doch neben ihm, durch vierundzwanzig Jahr,
war leer der Sitz. Und sie begannan schon
sich an die reine Lücke zu gewöhnenm
die wie verheilt war, denn mit seinem schönen
Hinüberscheinen füllte sie der Sohn.
So ging auch sie, die in die Himmel trat,
nicht auf ihn zu, so sehr es sie verlangte;
dort war kein Platz, nur Er war dort und prangte
mit einer Strahlung, die ihr wehe tat.
Doch da sie jetzt, die rührende Gestalt,
sich zu den neuen Seligen gesellte
und unauffällig, licht zu licht, sich stellte,
da brach aus ihrem Sein ein Hinterhalt
von solchem Glanz, daß der von ihr erhellte
Engel geblendet aufschrie: Wer ist die?
Ein Staunen war. Dann sahn sie alle, wie
Gott-Vater oben unsern Herrn verhielt,
so daß, von milder Dämmerung umspielt,
die leere Stelle wie ein wenig Leid
sich zeigte, eine Spur von Einsamkeit,
wie etwas, was er noch ertrug, ein Rest
irdischer Ziet, ein trockenes Gebrest--.
Man sah nach ihr: sie schaute ängstlich hin,
weit vorgeneigt, als fühlte sie: ich bin
sein längster Schmerz--: und stürtzte plötzlich vor.
Die Engel aber nahmen sie zu sich
und stützten sie und sangen seliglich
und trugen sie das letzte Stück empor. |
Of the Death of Mary II
Who would have thought, that until her coming
the manifold heavens would be incomplete?
The Arisen One had taken his place,
but next to him, through four and twenty years,
the place was empty. And they had already begun
to become used to the gap
as if healed over, since with his beautiful
radiance the Son filled it in.
So she, when she entered Heaven,
did not go to him, as dearly as she wished it;
since there was no place, only He was there and shone
with a brilliance that gave her pain.
But now that she, the stirring figure,
joined herself to the newly blessed ones,
and unpretentiously, light to light, took a seat,
then from her being broke a flood-tide
of such radiance, that the angel illumined and
dazzled by her cried out: Who is she?
There was amazement. Then they all saw how
God the Father shielded over our Lord,
so that, played up by the little darkness,
the empty place like a small sorrow
was revealed, a trace of loneliness,
like something that he still endured, a portion
of mortality, a drying scab--.
They looked at her: she stared anxiously,
leaning in, as if she felt: I am
his longest grief--: and fell suddenly forward.
But the angels took her up between them
and carried her, and sang rapturously
as they put her, the last piece, in her place. |
Vom Tode Mariä III (XV)
Doch vor dem Apostel Thomas, der
kam, da es zu spät war, trat der schnelle
längst darauf gefaßte Engel her
und befahl an der Begräbnisstelle:
Dräng den Stein beseite. Willst du wissen,
wo die ist, die dir das Herz bewegt:
Sieh: sie ward wie ein Lavendelkissen
eine Weile da hineingelegt,
daß die Erde künftig nach ihr rieche
in den Falten wie ein feines Tuch.
Alles Tote (fühlst du), alles Sieche
ist betäubt von ihre Wohlgeruch.
Schau den Leinwand: wo ist eine Bleiche,
wo er blendend wird und geht nicht ein?
Dieses Licht aus dieser reinen Leiche
war ihm klärender als Sonnenschein.
Staunst du nicht, wie sanft sie ihm entging?
Fast als wär sie's noch, nichts ist verschoben.
Doch die Himmel sind erschüttert oben:
Mann, knie hin und sieh mir nach und sing. |
Of the Death of Mary III
But before the Apostle Thomas, who
came too late, stepped forth the swift
angel long prepared for this
and commanded at the burial site:
Push the stone aside. Would you know
where she is, who moves your heart:
Behold: she was like a cushion of lavender
laid within for a while,
that the earth afterwards would smell of her
in its folds like a fine handkerchief.
All death (you feel), all sickness
is overcome by her fragrance.
Behold the shroud: what bleacher's work
could, without shrinkage, yield such dazzling white?
This light from the immaculate corpse
was more clarifying to it than sunshine.
Are you not amazed at how softly she left it?
Almost as if she were still there, nothing is disturbed.
Yet the heavens are shaken above:
Man, kneel down, gaze after me and sing. |
© Pamela Dellal |